Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (2024)

  • X.com
  • Facebook
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp

Joe Biden stellt Plan für Waffenstillstand in Gaza vor

Es ist ein unerwarteter, aber willkommener Schritt von US-Präsident Joe Biden: Er stellte am Freitag im Weißen Haus einen Plan für einen permanenten Waffenstillstand in Gaza vor, den Israel entwickelt habe – die Geiseln sollen befreit und die Kämpfe beendet werden. Biden forderte die Hamas auf, den Plan anzunehmen.

Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (1)

Zunächst blieb unklar, warum Biden den Plan vorstellte und nicht der israelische Premier Benjamin Netanyahu. Dieser erklärte wenig später, er habe sein Verhandlungsteam autorisiert, einen Plan vorzulegen, um die Freilassung der Geiseln zu erreichen. Aber war das auch der gleiche Plan, den Biden vorstellte?

Der Fahrplan zum »dauerhaften Waffenstillstand« besteht laut Biden aus drei Phasen: erstens eine sechswöchige Waffenruhe und ein Rückzug der israelischen Armee aus den Wohngebieten im Gazastreifen. Die Hamas würde dann einige der israelischen Geiseln, vor allem Frauen und Ältere, im Austausch gegen Hunderte palästinensische Gefangene freilassen.

In einer zweiten Phase könnte sich die israelische Armee komplett aus dem Gazastreifen zurückziehen, die Hamas würde alle noch lebenden Geiseln freilassen, auch Soldaten. Und drittens solle es nach einer dauerhaften Einstellung der Kämpfe einen Wiederaufbauplan für Gaza geben. Offen blieb, wer in Gaza nach dem Krieg regieren würde.

Aus der Biden-Regierung verlautete, der israelische Plan decke sich weitgehend mit einem vorliegenden Hamas-Vorschlag. Die Hamas wiederum gab bekannt, man sehe Bidens Rede »positiv«. Gibt es also tatsächlich eine Chance auf Frieden? Sie wäre höchst willkommen.

Biden steht unter starkem Druck, ein Ende des Krieges herbeizuführen. Eine enorme Zahl an Zivilisten ist beim israelischen Feldzug gegen die Hamas in Gaza nach dem 7. Oktober getötet worden, darunter Tausende Frauen und Kinder. Das hat mitten im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft viele von Bidens eigenen Anhängern verprellt. Und auch die internationale Justiz wird zunehmend aktiv – zuletzt ordnete der Internationale Gerichtshof an, dass die israelische Armee ihre Offensive in der südlichen Stadt Rafah beenden oder massiv einschränken muss, um einen möglichen Völkermord zu verhindern.

  • Mehr Details finden Sie hier: Israel schlägt Hamas offenbar Waffenruhe und zeitweisen Abzug aus Gazastreifen vor

Gaza und die Diskussion über das G-Wort

In der vergangenen Woche hat die Entscheidung des höchsten Uno-Gerichts zur Offensive in Rafah die Debatte befeuert, ob Israel in Gaza das Völkerrecht verletzt oder womöglich gar einen Genozid begeht, wie Südafrika in seiner Klage behauptet. Laut Definition ist ein Völkermord die Absicht, »eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören«. Der Genozidvorwurf hat global vermutlich noch nie so polarisiert wie in Gaza, er wurde schon sehr früh als reiner Kampfbegriff benutzt – gern von Leuten, die die Gräuel des 7. Oktober ignorierten. Doch inzwischen beschäftigt die Frage, ob dieser Tatbestand erfüllt sein könnte, nicht nur den Internationalen Gerichtshof, sondern auch sehr ernst zu nehmende Menschenrechtsaktivisten.

Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (2)

Aryeh Neier, 1937 in Berlin in eine deutsch-jüdische Familie geboren, ist Mitbegründer der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und eine der prägenden Figuren der modernen Menschenrechtsbewegung. Er hat in der »New York Review of Books« diese Woche einen Essay veröffentlicht, der mit dem Satz beginnt: »Wie die meisten meiner Kollegen in der internationalen Menschenrechtsbewegung verwende ich den Begriff ›Völkermord‹ nur sehr sparsam«. Als Südafrika die Klage vorgebracht habe, sei er vom Vorwurf nicht überzeugt gewesen, weil er der Meinung gewesen sei, dass Israel das Recht habe, die Hamas zu bekämpfen.

Doch wie er im Interview mit meinem SPIEGEL-Kollegen Bernhard Zand erklärt, sei er mittlerweile zum Schluss gekommen, dass sich in Gaza tatsächlich ein Völkermord ereigne – vor allem wegen der Blockade von Hilfslieferungen. »Ich erhebe diesen Vorwurf nur widerwillig«, sagt er.

  • Sie finden das Interview hier: »Beide Seiten haben es verdient, strafrechtlich verfolgt zu werden«

Das Attentat von Mannheim

Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (3)

In Mannheim hat am Freitag ein Täter mit einem großen Messer mehrere Personen angegriffen. Er attackierte gezielt einen Stand der rechtspopulistischen »Bürgerbewegung Pax Europa« auf dem Marktplatz. Sechs Menschen wurden verletzt, ein Polizist sogar lebensgefährlich, darunter auch der Anti-Islam-Aktivist Michael Stürzenberger. Der Täter war ein 25-jähriger Mann namens Sulaiman A., der aus Herat in Afghanistan stammt und in Hessen lebt. Er war den Behörden bisher nicht als Extremist bekannt. Die Ermittler vermuten ein islamistisches Motiv hinter der Tat, was jedoch noch nicht bestätigt ist.

  • Die ganze Geschichte hier: Die Bluttat auf dem Marktplatz

Zur Europawahl: Warum sind die Europäer so nostalgisch?

Am kommenden Wochenende ist die Europawahl – und die drei prägenden Personen des Wahlkampfs sind Frauen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die gern eine zweite Amtszeit hätte. Und zwei Rechtspopulistinnen: Giorgia Meloni, Premierministerin von Italien. Und Marine Le Pen, die französische Oppositionsführerin. Meloni wird gerade von beiden umworben – von der Leyen möchte mit ihr zusammenarbeiten, Le Pen sogar eine Fraktion mit ihr bilden. Extrem rechte Parteien könnten bei der Wahl die größten Gewinner sein, analysieren die SPIEGEL-Korrespondenten:

  • Lesen Sie hier die Fakten: Kommt nach der Europawahl das große Bündnis der extremen Rechten?

Doch warum sind die Europagegner in ganz Europa so erfolgreich? Meine Kollegin Nadia Pantel hat sich mit dieser Frage im Kopf auf eine Reise über den Kontinent gemacht. Und sie entdeckte hinter den Sorgen wegen Krieg, Migration und Inflation ein Gefühl, das den ganzen Kontinent erfüllt – und wohl einen wichtigen Anteil an den Erfolgen der rechten Nationalisten hat: Nostalgie. Ich empfehle Ihnen gern ihren sehr lesenswerten Essay über die Frage, warum auf einem Kontinent, dem es sehr gut geht, so viele Menschen von früheren, vermeintlich besseren Zeiten träumen. Und was das mit dem Erfolg der Rechten zu tun hat.

  • Die ganze Geschichte hier: Wie Europas Rechte von der Nostalgie der Wähler profitieren

DER SPIEGEL 23/2024
Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (5)

Sonderling wird Superstar

Franz Kafka hat die Welt nicht verstanden. Die Welt aber versteht ihn. Obwohl er schon vor 100 Jahren starb, scheinen seine Romane heute das Lebensgefühl der Postmoderne perfekt zu treffen. Er wird überall gelesen – und ist ein Idol auf TikTok.

Lesen Sie unsere Titelgeschichte, weitere Hintergründe und Analysen im digitalen SPIEGEL.

Zur Ausgabe

Hier geht’s zum aktuellen Tagesquiz

Gewinner des Tages…

…ist Alvin Bragg. Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan hat als Erster die Verurteilung eines ehemaligen US-Präsidenten in einem Strafverfahren erreicht. Donald Trump ist nach US-Recht nun ein »convicted felon«, ein verurteilter Straftäter, weil er von einem Geschworenengericht schuldig gesprochen wurde – anders als in Deutschland, wo ein Urteil erst rechtskräftig ist, wenn sämtliche Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Und Bragg schaffte es mit seinem Team, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass Trump schuldig ist. Und zwar tatsächlich in allen 34 Anklagepunkten: dass er nicht nur das Schweigegeld an Ex-p*rnostar Stormy Daniels verschleierte, dafür Buchführungsbetrug beging, sondern damit auch das Wahlergebnis 2016 beeinflusste. Es war eine Argumentation, die zu Beginn vielen etwas wackelig erschien, die aber nun Bestand hatte – und es war ein Verfahren, das Bragg auch nur von seinem Vorgänger geerbt hatte. Nun steht dennoch er im Rampenlicht, wird von Trump beschimpft und erhält Morddrohungen. Mein Kollege Marc Pitzke hat ein Porträt über ihn geschrieben.

  • Sie finden den Text hier: Der Mann, der Trump besiegte

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

  • Süddeutschland rüstet sich für Überflutungen: Im schwäbischen Sigmarszell fielen innerhalb von 24 Stunden rund 128 Liter Regen pro Quadratmeter – und es soll weiter regnen. Viele Gemeinden in Bayern und Baden-Württemberg warnen vor gefährlichem Hochwasser.

  • Moskau stuft Ex-Präsidentschaftsbewerberin als angebliche »ausländische Agentin« ein: Jekaterina Dunzowa ist gegen den Ukrainekrieg und wollte Putin bei der Scheinwahl im März herausfordern. Jetzt ist die frühere Journalistin vom russischen Justizministerium als »ausländische Agentin« gebrandmarkt worden.

  • Die berühmteste Oma der Welt ist tot: Als Barack Obama Präsident wurde, zog seine Schwiegermutter mit ins Weiße Haus. Die »First Granny« Marian Robinson kümmerte sich um die Enkelinnen und Hund Bo – und genoss das Leben in Washington. Nun starb sie im Alter von 86 Jahren.

Diesen Text möchten wir Ihnen heute besonders empfehlen:

Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (6)

Wunder von Wembley? In der Bundesliga 27 Punkte hinter Meister Leverkusen, im EM-Kader kaum vertreten. Und doch kämpft Borussia Dortmund heute Abend im Finale der Champions League gegen Real Madrid um den wichtigsten Titel im Vereinsfußball. Meine Kollegen Jan Göbel und Danial Montazeri erinnern an die wundersame Reise des Underdogs zum Ort des Endspiels, dem ehrwürdigen Londoner Wembley-Stadion – und fragen etwas ungläubig: Wie hat der BVB das bloß geschafft?

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Ihr Mathieu von Rohr, Leiter des SPIEGEL-Auslandsressorts

Die Lage am Morgen – Endlich eine Chance für eine Waffenruhe in Gaza? (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Frankie Dare

Last Updated:

Views: 5905

Rating: 4.2 / 5 (53 voted)

Reviews: 84% of readers found this page helpful

Author information

Name: Frankie Dare

Birthday: 2000-01-27

Address: Suite 313 45115 Caridad Freeway, Port Barabaraville, MS 66713

Phone: +3769542039359

Job: Sales Manager

Hobby: Baton twirling, Stand-up comedy, Leather crafting, Rugby, tabletop games, Jigsaw puzzles, Air sports

Introduction: My name is Frankie Dare, I am a funny, beautiful, proud, fair, pleasant, cheerful, enthusiastic person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.